Nach 300 Jahren werden die Glocken der Nitzschkaer Kirche demnächst elektrisch geläutet
Wurzen/Nitzschka. Die Kirchengemeinde in Nitzschka wagt den Umstieg:
Momentan sammelt der Vorstand Geld für den elektronischen Betrieb
der Glocken. Der demografische Wandel macht es nötig.
Alle drei Wochen steigen Christian Kupsch und zwei Begleiter die Stufen
im Kirchturm von Nitzschka hinauf. Erst können sie die Stufen ohne
Probleme erklimmen. Doch je höher sie kommen, umso schwieriger wird
es, Tritt zu fassen. Holzstufe um Holzstufe geht es hinauf, bis sie irgendwann
unterhalb des Glockengeläuts stehen. Aus dem 18. Jahrhundert stammen
die drei Exemplare, die noch immer in der originalen Konstruktion verankert
sind. 1,3 Tonnen ist die größte Glocke schwer, die mittlere
wiegt rund eine Tonne. Die kleine ist mit 400 Kilo noch relativ leicht.
Nun beginnen die drei Männer ihre Arbeit. Sie ziehen an den drei Seilen,
die durch kleine Schlitze von den Glockenführungen in die Etage darunter
hängen. Seit 300 Jahren wird manuell zum Gottesdienst oder zu Hochzeiten
gerufen. Doch damit soll es bald vorbei sein.
Momentan sammelt der Kirchenvorstand der Gemeinde Geld. 17000 Euro
müssen es werden. Damit soll unter anderem dafür gesorgt werden,
dass das Geläut in Zukunft elektronisch bedient wird. "Wir kämpfen
mit dem demografischen Wandel", sagt Kupsch. "Wenn man eine künstliche
Hüfte hat, wird es schon schwierig hoch in den Glockenturm zu kommen."
Zudem ist das Läuten von Hand aufwändig. Denn mit einem einfachen
Ziehen an den Seilen ist es nicht getan. Es braucht schon Kraft, um dem
Metall einen satten Klang zu entlocken. Zudem müssen die drei Männer
einen gemeinsamen Rhythmus finden. So beginnt der Glöckner der größten
Glocke mindestens 20 Minuten vor den anderen, um dieser überhaupt
einen Ton zu entlocken. Beim ersten Schlag steigen die beiden anderen Gemeindemitglieder
ein. Nitzschka ist die einzige Gemeinde im Landkreis und im Kirchenbezirk,
die sich diesen Luxus eines manuellen Geläuts noch leistet. "Das hat
sich aber überholt", sagt Kupsch.
Zwei Angebote für eine elektrische Steuerung hat der Kirchenvorstand
bereits eingeholt. Nächste Woche Mittwoch will er darüber abstimmen.
Dann sollen unverzüglich die Arbeiten beginnen. Denn allzu lange wollen
die Nitzschkaer nicht auf ihre Glocken verzichten. "Dieses Läuten
stiftet Identität", sagt Kupsch. "Es fördert den Zusammenhalt."
Der Nitzschkaer Weg hat Erfolg: In dem Wurzener Ortsteil ist knapp die
Hälfte der 200 Einwohner noch Mitglied der Kirchengemeinde.
Doch der elektrische Betrieb der Glocke ist nicht die einzige Veränderung
des Gotteshauses, die der Kirchenvorstand plant. 1987 musste die alte Turmuhr
weichen. Bei der damaligen Sanierung fehlten die Mittel, sie zu sichern
und zu restaurieren. Nun soll dieser Makel behoben werden. "Wir wollen
eine neue Uhr anbringen", sagt Kupsch. "Sie soll nach Norden und nach Osten
gerichtet sein, damit man gleich die Zeit erkennt, wenn man sich Nitzschka
nähert", sagt er. Zwar gibt es noch die alte Mechanik aus dem Jahr
1710, doch sie hat nur noch antiquarischen Wert. Die Gemeinde will sie
aufarbeiten lassen. Die neue Uhr wird aber ebenso wie das Geläut elektronisch
betrieben. Die angezeigte Zeit soll möglichst exakt sein. "Schließlich
soll jeder Nitzschkaer wissen, was die Stunde schlägt", sagt Kupsch.
Kai Kollenberg
iDie Gemeinde in Nitzschka hat bisher nur einen Teil der benötigten
Summe zusammen. Spenden können mit dem Verweis "Geläut Nitzschka"
auf ein Konto bei der KD Bank überwiesen werden. Rechtsträger-Nummer:
RT-3125; Bankleitzahl: 35060190.
Schauwert: Die alte Mechanik der Turmuhr soll aufgearbeitet und als Rarität in der Gemeinde gezeigt werden.
Soll demnächst modernisiert werden: die Kirche in Nitzschka.
Jahrhundertelang wurde die große Glocke von Hand betrieben, wie Christian Kupsch zeigt. Dies soll sich aber nun ändern.Fotos: Klaus Peschel
LVZ Muldental 3. August 2011
In der Kirche zu Nitzschka
Liebevoll durch die Gemeinde saniert: Der Altar in der Kirche Nitzschka lädt an diesem Wochenende zu einer Hochzeit ein. Foto: Klaus Peschel
LVZ Muldental 6. August 2011
Zifferblatt der Nitzschkaer Kirchturmuhr wird im Rittergut aufbewahrt
Christian Kupsch vom Nitzschkaer Kirchenvorstand zeigt die Scheibe aus Eichenholz, die einst den Bauern auf den Feldern zeigte, was die Stunde geschlagen hat, wann Mittagspause ist und wann Feierabend. Mit der Sanierung der Kirche in den 1970er Jahren wurden die Nischen der Kirchenuhr zugemauert. Das Zifferblatt verschwand nach Wurzen. Vor zwei Jahren kam es wieder an den Ort zurück, wo es über einhundert Jahre die Zeit anzeigte.
Foto: Klaus Peschel
LVZ Muldental 8. August 2011